Der Ursprung der Firma „Motormuli“ liegt allerdings in Wien. Oskar Hacker kehrte, nachdem sich seine Pläne, in Australien eine Waschmaschinenproduktion aufzuziehen, zerschlagen hatten, im Jahr 1948 nach Österreich zurück. Nun war seine nächste Idee – in Erinnerung an die langen Gespräche mit dem Forstmann Dipl.-Ing, Wörther im Gefangenenlager Glasenbach (Salzburg) –, einen kleinen forstwirtschaftlichen Schlepper auf einem Gleisketten-Laufwerk speziell für die Holzbringung, insbesondere in gebirgigem Terrain, zu bauen. Dazu suchte er, wie in seiner Jugend bei der Gründung der Firma BISON-Motorradwerke, einen geeigneten metallverarbeitenden Betrieb, der seine Konstruktion herstellen könnte.
Diesen Partner fand Hacker in der Firma Schuster in Wien 16, Nauseagasse 25. Hans Schuster war der Inhaber eines Betriebs, der Spiralbohrer und Reibahlen herstellte; der Direktor der Firma war Dipl.-Ing. Viktor Kaspar, der aus Bilitz (in Polen, bis 1918 Österreich-Ungarn) kam. Man gründete miteinander eine Firma „»Motormuli« – Schuster, Hacker & Co. Komm. Ges.“, an der vermutlich zunächst auch noch eine Firma „Dynamic S. A.“ in Vaduz beteiligt war (zumindest sind damals Konstruktionspläne nach Vaduz gesandt worden).
Im Februar 1949 wurde in der Werkstatt der Firma Schuster in Wien mit dem Bau des ersten Motormulis – später als Type M 25 bezeichnet – begonnen. Der Leiter der Konstruktionsabteilung war Ober-Ing. Hladik (bekannt für den Puch-Schalenrahmen), den Hacker von gemeinsamer Tätigkeit bei den Steyr-Werken während des Kriegs kannte und den er nun zur Mitarbeit am Projekt Motormuli eingeladen hat. Hladik brachte seinerseits den jungen Ing. Franz Salzner mit, der zuvor ein Jahr bei Steyr tätig gewesen war. Es war ein engagiertes Team von wenigen Personen, Konstrukteuren wie Mechanikern. (Ober-Ing. Hladik ist allerdings relativ bald ausgeschieden; sein Nachfolger wurde dann Ing. Ernst Blaha.)
Es wurde ein geeigneterer Standort gesucht, der Möglichkeiten zur praktischen Erprobung des Prototyps bot und auch näher an potentiellen Bedarfsträgern lag – also in einer waldreichen Gegend – und gleichzeitig die notwendige Infrastruktur für die Ansiedlung einer Firma bot. Mit dem Ende der Kriegsproduktion der Mollner Holzwarenfabrik waren dort große räumliche Ressourcen frei geworden, eine große Halle (für die Produktion) und eine Reihe von Baracken. Ferner war ein Bahnanschluß vorhanden und nicht zuletzt gab es (was damals noch nicht selbstverständlich war) entsprechende Energieversorgung (Drehstrom). So fiel die Wahl Oskar Hackers auf den Standort Molln, geeignete Objekte auf dem Gelände der Holzwarenfabrik wurden angemietet und der Firmensitz wurde dorthin verlegt. Der genaue Standort lautete: Katastralgemeinde Leonstein, Gemeinde Grünburg.
Am 8. September 1950 erfolgte eine Firmen-Neueintragung beim Kreis- und Handelsgericht Steyr: „Motormuli“ Schuster, Hacker & Co., Komm. Ges. Molln mit den persönlich haftenden Gesellschaftern Karoline Schuster und Elisabeth Hacker, also den Ehefrauen der beiden Firmenchefs; der Sitz war ab jetzt in Molln, die bisherige Wiener Adresse in der Nauseagasse wurde zunächst als „Zweigstelle“ weitergeführt, wo sich das Konstruktionsbüro und die Verwaltung befanden.
Der genaue Standort lautete: Katastralgemeinde Leonstein, Gemeinde Grünburg. Trotzdem wurde als Sitz der Kommanditgesellschaft „Molln“ angegeben – auch der Telephonanschluß lautete auf „Molln“, ausschlaggebend mag aber die Bahnstation gewesen sein. Molln besaß einen Bahnhof und dieser lag in unmittelbarer Nähe des Firmengeländes, während Leonstein nur über eine Haltestelle verfügte, die überdies ca. 2 km entfernt lag.
Aus der Wiener Zeitung vom 17. September 1950
Es erfolgte auch ein Eintrag im Gewerberegister (29. Oktober 1950) der Firma „»Motormuli« Schuster Hacker & Co. K. G.“ Molln mit den Geschäftsführern Oskar Hacker und Dipl.-Ing. Viktor Kaspar.
Eintrag der Firma „Motormuli“ im Gewerberegister
Allerdings trat am 29. September 1950 Frau Schuster schon wieder aus, Elisabeth Hacker war nunmehr als alleinige Gesellschafterin selbständig vertretungsbefugt.
Aus der Wiener Zeitung vom 18. Oktober 1950
Gleichzeitig wurde an derselben Adresse die Firma „‚Alpentransport‘ Entwicklungs- und Betriebsgesellschaft für Spezialtransportgeräte Ges. m. b. H. Molln“ mit Oskar Hacker als Geschäftsführer gegründet, als deren Zweck das „Verleihen von Kraftfahrzeugen, eingeschränkt auf das Verleihen von Traktoren und deren Ergänzungsgeräten“ angegeben wurde.
Eintrag der Firma „Alpentransport“ im Gewerberegister
Der noch in Wien gebaute Motormuli-Prototyp M 25 wurde von dem Mechaniker Josef („Pepi“) Marek nach Molln gebracht, wobei die Sektorengrenze zu passieren war. Marek fand – unterstützt durch zwei Flaschen Schnaps, die bei dieser Aktion den Besitzer wechselten – eine gute Gesprächsbasis mit den sowjetischen Posten, die den LKW mit dem darauf verladenen Motormuli schließlich problemlos passieren ließen.
Im Jänner 1951 nahm die Firma „Motormuli“, unter Mitwirkung von Graf Dr. Lodron, auf der Basis eines ERP-Kredits die Produktion einer Vorserie auf. Es wurden drei weitere Prototypen gebaut, die bald auf stärkere Motoren umgerüstet wurden und dann als Type M 60 „Forst“ bezeichnet wurden.
ERP = European Recovery Programm, meist als „Marshallplan“ bezeichnet, war ein bedeutendes Wirtschaftsförderungsprogramm der USA für den Wiederaufbau der Staaten Europas nach dem Zweiten Weltkrieg. Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Marshallplan
Was den Bau der Motormulis betrifft, so wurde in der Firma eher assembliert als produziert. Selbst hergestellt wurden nur Kleinteile, alle größeren Komponenten kamen von Zulieferfirmen:
Wanne: tlw. Firma Knotz, Wien, zumeist aber von der VÖEST (vgl. Abbildung)
Raupenketten und Kettenräder: Hütte Liezen
Radnaben: Steyr
Zahnräder und diverse Getriebe: Steingassinger, Attnang-Puchheim
weitere Getriebeteile (bes. Zahnräder): Fa Kienast, Wien
Gußteile: Temperguß Grundmann, Herzogenburg
Gußnaben: Gußwerk Steyr
Blechteile: Fa. Doubrava, Wels
Motor: mehrheitlich Steyr (vgl. Abschnitt Motoren)
Getriebe: Planetengetriebe Motormuli, LKW-Schaltgetriebe: Steyr
Die zugelieferten Teile haben teilweise den Spezifikationen nicht entsprochen. So waren die Wannen von der VÖEST in der Diagonalen um 2 bis 3 cm verzogen und mußten vom Schweißer (Franz Gruber) erst mühselig ausgerichtet werden; nur durch dessen überdurchschnittliches Geschick wurden sie funktionstüchtig.
Aus Zeit- und Kostengründen wurden nicht vorgealterte Graugußteile eingesetzt, die nur mit viel Improvisation funktionstüchtig gemacht wurden; Teile mußten künstlich gealtert werden (um das Gefüge metallischer Werkstoffe zu ändern) etc. Die Gußnaben aus dem Gußwerk Steyr wurden aus Zeitgründen „grün“ angeliefert, die Bohrungen waren von 99,5 mm auf 100,5 mm unrund und mußten zur Lagereinpassung mit dem Dreikantschaber nachgearbeitet werden.
Tellerrad und Triebling waren Teile, die bei „Motormuli“ extra angefertigt wurden (Triebstockverzahnung: Triebstock aus Grobblech, Verzahnung angerissen oder Papierschablone aufgeklebt, durch Bohren, Trennstemmen und Feilen herausgearbeitet).
Die Wanne dieses Motormulis stammt von der VÖEST, wie die Aufschrift DONAWITZ eindeutig klarstellt (Herbert Rosenegger – Photo © Mulacz)
Aus Kostengründen war die Maschinen- und Geräteausstattung der Firma „Motormuli“, gemessen an der technischen Aufgabe, unzureichend, sie erforderte laufend Improvisationen, die nur durch die exzellenten fachlichen Fähigkeiten der Mitarbeiter möglich wurden. (Eine Reihe von ihnen war noch in technischen Einheiten der Wehrmacht bzw. in der Rüstungsindustrie tätig gewesen.)
Die Werkzeugmaschinen bei „Motormuli“ umfaßten u.a.:
drei Drehbänke (davon eine von der VÖEST)
„Milwaukee“ Industrie-Fräsmaschine
„Cincinnati“ Metallbearbeitungsmaschine
kleine Metallhobelmaschine
Radialbohrmaschine
Elektroschweißanlage
diverse Kleingeräte
Diese (nicht maßstabgerechte) Skizze vermittelt eine Ahnung von der Raumaufteilung im Inneren der Montagehalle:
Der Meister Erlach war der Einzige, der in dieser Halle auch wohnte. Der Herd in seiner Unterkunft – primär als Kochgelegenheit gedacht – wurde aber auch für die Motormuli-Fabrikation „zweckentfremdet“, hier sind auch die Schenkel für die Radbolzen auf ca. 300° C erwärmt worden sind, damit man die Radachsen warm einziehen konnte.
Prokurist Walter Nowak und Ing. Salzner teilten sich einen Arbeitsraum auf der rechten Seite der Halle; seine Unterkunft hatte Ing. Salzner in einer anderen Baracke daneben („Wohnbaracke“), wie überhaupt viele „Motormuli“-Mitarbeiter zumindest während der Arbeitswoche auf dem Firmengelände lebten (in Leonstein und Molln gab es in den Jahren nach dem Krieg eine große Wohnungsnot).
Sobald die ersten drei Prototypen fertig waren, begann man – noch während der Erprobungsphase – mit diversen Pressevorführungen, die in forstwirtschaftlich interessierten Kreisen, aber auch darüber hinaus und sogar im Ausland, ein großes Echo fanden. Die Stimmen waren, was die Leistung des Motormulis für die Holzbringung betrifft, einhellig positiv, allerdings gab es vereinzelt bereits Bedenken ökonomischer Art, nämlich, ob es genügend Interessenten und Betätigungsfelder gäbe, welche das Aufziehen einer Serienproduktion rechtfertigen würde.
Weitere Pressemeldungen => Zeitgenössische Presseberichte
Die wohlwollende Aufnahme des Motormuli in der Fachwelt war die eine Sache; die andere war, daß bald eine Reihe von technischen Problemen auftrat.
Der nur 26 PS (= 19 KW) leistende Zweizylinder-Motor WD 213 im Motormuli Type M 25 erwies sich einfach als zu schwach; das M 25 wurde durch den Einbau des Vierzylinder-Motors WD 413 zu einem M 60 umgebaut. Nichtsdestotrotz findet sich die Type M 25 weiterhin im Prospekt der Firma „Motormuli“ – aber vielleicht war der Prospekt schon zuvor in Druck gegangen und er ist halt weiter zur Verteilung gekommen …
Oskar Hacker hatte sein Motormuli ja bekanntlich als „Verwandlungsfahrzeug“ konzipiert, wie in den 1930er-Jahren seine Austro-Daimler Motor-Karrette (ADMK). Die Betriebsarten der auch als „Mulus“ bezeichneten Motor-Karrette waren Räderbetrieb, Kettenbetrieb und Betrieb als Halbkettenfahrzeug. Dasselbe galt nun, zwei Jahrzehnte später, für das Motormuli. Allerdings war der Hintergrund ein anderer. Beim ADMK ging es primär um Materialschonung, vor allem der Gleisketten, weil diese werkstofftechnisch bei weitem nicht so unempfindlich waren, wie später, aber auch um Schonung der Straßenoberfläche. Beim Motormuli hingegen ging es, sofern das Gelände es zuläßt, um eine höhere Geschwindigkeit (auf Rädern bis zu 38,8 km/h, auf Raupen max. 14,6 km/h), sowie um die Fähigkeit, das Holz ohne umzuladen vom Schlägerungsort bis ins Sägewerk transportieren zu können. Obwohl diese Idee brillant war, bewährte sich das Räderlaufwerk nicht so sehr, um den konstruktiven bzw. herstellungsmäßigen Mehraufwand zu rechtfertigen. Es wurde daher für die Serienproduktion aufgelassen; die vorsteckbare Vorderachse mit Autolenkrad wurde allerdings weiter angeboten. Auch hier gilt, daß sich Abbildungen nicht mehr produzierter Typen bzw. Modelle auch noch in späteren Prospekten finden.
Einsatz als Räderfahrzeug (Album Marek)
Einsatz als Vollkettenfahrzeug; deutlich sichtbar die Bremstrommeln, auf welche die Hinterräder für den Räderbetrieb aufgesteckt werden konnten (Album Marek)
Einsatz als Halbkettenfahrzeug (hinten Raupe, vorne Räder) (Album Marek)
Beim Serienmodell wurde der Räderantrieb und damit auch die deutlich sichtbaren Bremstrommeln weggelassen, es besteht nur mehr die Möglichkeit des reinen Kettenbetriebs (wie hier) oder allenfalls mit der Vorsteckachse der Einsatz als Halbkettenfahrzeug (Album Salzner)
Laufwerk nur mehr für Kettenantrieb (Privatbesitz, Vorführung im HGM, Photo © Mulacz)
Mit dieser konstruktiven Vereinfachung mußte Direktor Hacker von einer seiner Lieblingsideen, dem Verwandlungsfahrzeug, Abschied nehmen.
Das nächste Problem, mit dem die junge Firma „Motormuli“ zu kämpfen hatte, war das Getriebe.
Die Schwierigkeiten mit dem Planetengetriebe
Ursprünglich hatte Direktor Hacker für das Motormuli ein stufenloses Getriebe vorgesehen, und zwar ein Reibradgetriebe. Allerdings versagte das ursprünglich gebaute stufenlose Konusgetriebe völlig, weil die damaligen Materialien den erforderlichen Anpreßdrucken am Kegel nicht standhielten: beim Durchrutschen war der Kegel gleich kaputt, die Erfahrungen mit diesem Getriebe werden als eine einzige Pleite beschrieben, obwohl es sich bei diesem Muli um ein Gerät mit dem schwächeren Motor gehandelt hat. Zwar hat Ing. Salzner dann ein stufenloses Getriebe mit Gummivariator konstruiert, wobei auf dem Pilz, der auf dem Konus gelaufen ist, ein Gummibelag aufgebracht war, aber auch dies war für das Motormuli nicht geeignet. Zeit und Geld waren verloren und Hacker mußte von der Idee des stufenlosen Getriebes Abschied nehmen.
Daher wurden die Prototypen getriebemäßig anders ausgestattet: vom Motor über ein Wendegetriebe ging der Kraftfluß an zwei dreistufige Planetengetriebe und von dort auf die Antriebsräder. Jedes Getriebe hatte drei Vorwärts- und drei Rückwärtsgänge, es gab bloß eine feste Kupplung und eine Hardyscheibe, man konnte also vorwärts und rückwärts gleich schnell fahren. Mit einer Bremse wurde ein Ausgleich abgebremst, sodaß die Drehrichtung des Laufwerks geändert wurde. Insbesondere brachte diese Konstruktion mit den drei Vorwärts- und drei Rückwärtsgängen für die linke und rechte Raupe den großen Vorteil mit sich, daß, anders als bei Lenkbremsen, auch bei Kurvenfahrten die volle Traktion genutzt werden konnte.
Eine Vorführung des Motormuli vor zwölf amerikanischen Offizieren bei der Frauensteiner Brücke hat die beeindruckende Wendigkeit des Geräts demonstrieren können.
So genial diese Konstruktion auch war und so vorteilhaft sich die im Vergleich zu Lenkbremsen weit höhere Wendigkeit bei engem Rangieren und Kurvenfahrten erwies, blieb das Planetengetriebe doch ein ständiges Problemkind. Insbesondere war das Differential den auftretenden Kräften nicht gewachsen und mußte mehrfach umkonstruiert werden. Im Planetengetriebe waren 64 Wälzlager verbaut, was die Komplexität der Konstruktion erkennen läßt.
Zur Beschreibung der Kalamitäten mit dem Getriebe paßt diese Episode:
Einmal ist es passiert, daß bei der Montage eines neuen Motormulis der Kegeltrieb verkehrt eingebaut worden ist. Als der Fahrer – wie normal – vorwärts wegfahren wollte, fuhr das Muli rückwärts und krachte in das Tor der Halle.
Direktor Hacker hat daraufhin eine Begebenheit aus seiner Zeit als junger Konstrukteur bei Austro-Daimler erzählt. (Hacker war 1925 bei Austro-Daimler eingetreten und war dort zunächst in der Abteilung für Schienenfahrzeuge eingesetzt, wo er Draisinen konstruierte; erst später wechselte er zu den Kettenfahrzeugen.) Bei einer Draisine, die nach seinen Plänen gebaut worden ist, war dasselbe passiert. Die Draisinen wurden für Brasilien gebaut und man war schon knapp mit dem Termin; wie man die Draisine probiert hat, ist sie statt vorwärts nach rückwärts gelaufen. In der Eile war das Getriebe irrtümlich verkehrt eingebaut worden.
In der Mollner Mannschaft gab es nur zwei Mechaniker, die sich mit diesem höchst anspruchsvollen Getriebe wirklich auskannten. Diese Experten waren „Pepi“ Marek und Lausecker.
Jetzt rächte es sich, daß mit der Produktion bereits begonnen worden war (ein erstes Motormuli war seit August 1950 bei den Tauernkraftwerken in Kärnten im Einsatz), bevor noch genug Erfahrungswerte im Probebetrieb gesammelt worden waren. Nicht nur, daß der Ruf des Motormuli durch die Probleme litt, es war mit dem mehrfachen Umkonstruieren viel Geld verbraucht worden, das in weiterer Folge an allen Ecken und Enden fehlte.
Es kam wie es kommen mußte: auch von den Planetengetrieben – die freilich in der Technikgeschichte eine wichtige Vorläuferfunktion für spätere österreichische Kettenfahrzeuge haben sollte – mußte Hacker im Sinne einer Vereinfachung Abschied nehmen. Es wurde also alternativ eine sozusagen abgespeckte Variante des Motormuli angeboten, in die als Getriebe das standardmäßige 5-Gang-Schaltgetriebe des Steyr 380 LKW eingebaut wurde und die für die Lenkung mit Lenkbremsen ausgestattet wurden. Das funktionierte dann problemlos. Das Planetengetriebe wurde bald gänzlich aufgelassen; die späteren Typen vom M 70 aufwärts wurde nur mehr mit Schaltgetriebe und Lenkbremsen gebaut.
Die nächsten Schwierigkeiten für die junge Firma bahnten sich schon an, aber freilich gab es auch positive Entwicklungen. Das Wiener Stadtbüro übersiedelte von der Vorstadt Ottakring in ein elegantes Haus an einer noblen Adresse ganz im Zentrum, Stephansplatz 2. Die vorige Adresse in der Nauseagasse mußte aufgegeben werden,
weil der Teilhaber Schuster verstorben ist und dessen Firma nach Letten, O.Ö., übersiedelt ist (kurz darauf ist sie von den Steyrwerken übernommen worden). Dementsprechend wurde der Name „Schuster“ aus dem Firmennamen getilgt (1952). Direktor Oskar Hacker (bzw. seine Ehefrau) war nun der einzige Gesellschafter der Firma, die bald eine Kooperation mit der britischen Firma Atkinson einging, was sich auch im Briefkopf der Firma wiederspiegelte:
Die Kooperation mit Atkinson war in mehrfacher Weise bemerkenswert, einerseits bezog man nicht nur die patentierten gummibewehrten ATKI-TRACK Gleisketten von dort, sondern auch Streugut-Vorrichtungen, andererseits konstruierte man für Atkinson für ein etwas verlängertes Motormuli ein Laufwerk, das hinten noch eine weitere Achse besaß. In dieser Version wurde The Motormule in Großbritannien produziert, allerdings nicht mit dem Steyr- sondern mit einem Austin-Motor ausgerüstet..
Motormuli M 100 (mit Streugutbehälter) auf Atkinson-Laufwerk: sechs Laufrollen (zwei größere, vier kleine) auf jeder Seite; Stützrollen für den Rücklauf des oberen Kettentrums (Album Salzner)
Sehr bald begann die Firma „Motormuli“ auch damit, Lehrlinge auszubilden, jeweils einen pro Lehrjahr, also drei gleichzeitig. Als Beispiele seien Hans Hauser sowie der Sohn des „Motormuli“-Mitarbeiters Lausecker genannt.
Bald darauf wurde auch eine Filiale in Deutschland begründet; überdies waren auch Fühler nach Frankreich zur Firma Momuda (Paris) ausgestreckt worden. Das „Motormuli“-Firmengeflecht sah nun wie folgt aus:
Das zunächst gebaute Laufwerk für die Type M 60 war ein Balanzierträgerlaufwerk mit fünf kleinen Laufrollen auf jeder Seite, die aus Dimensionierungsgründen auf käfiglosen Nadellagern gelagert waren. Es bewährte sich im Wald sehr gut, bereitete aber im rauhen Alltagsbetrieb Probleme, die während der (zu) kurzen Erprobungszeit nicht aufgefallen waren.
Verschlammtes Laufwerk bei Fahrt auf tiefem Boden (Album Marek)
Es konnte nicht verhindert werden, daß bei entsprechenden Bodenverhältnissen der Schlamm in die Lager der Laufrollen eindrang und dort sein zerstörerisches Werk begann; sobald der Schlamm trocken war, wirkte er wie Schmirgel und führte zu extremem Verschleiß. Die Abdichtung der Lager unter den schwierigen Betriebsbedingungen gelang nie zufriedenstellend.
Als hätte dies nicht gereicht, gab es noch ein weiteres Problem mit dieser Version des Laufwerks.
Die Gleiskette paßt sich flexibel dem Boden an, Unebenheiten wie dieser Steinblock werden überrollt (Album Marek)
Dieses Bild wurde auch unter dem Titel „flexibles Laufwerk“ für diverse Prospekte der Firma „Motormuli“ verwendet. Dazu ist folgender Text zu lesen: „Es ist bekannt, daß das starre Laufwerk handelsüblicher Schlepper auf felsigen Gebirgswegen durch seine punktförmige Auflage zu hartem stoßenden Lauf bei beträchtlicher Einbuße an Zugkraft führt. Das ‚Motormuli‘ hat im Gegensatz zu diesen Schleppern ein flexibles fünfgliedriges Laufwerk, dessen Rollen unabhängig voneinander, einzeln beweglich sind. Das Kettenlaufwerk ist dadurch in der Lage, vorstehende Hindernisse wie Felsbrocken, Baumwurzeln etc. zu „verschlucken“, ohne daß dadurch die Bodenhaftung der nicht mit dem Hindernis in Berührung stehenden Kettenglieder vermindert wird. Überlegene Zugkraft auf steilen, felsigen Wegen ist das Resultat dieser fortschrittlichen Bauart.“
In der Praxis gab es gerade in solchen Situationen das Problem, daß das Laufwerk blockierte und die Kraft des Motors den Triebling abriß. Treibachse bzw. Triebling waren deshalb eine der Schwachstellen der Konstruktion, weil deren Dimensionierung angesichts des minderwertigen, von der Zulieferfirma nicht vorgealtert gelieferten Materials zu gering gewählt worden war. In der Folge wurde der Bauteil redimensioniert, wodurch sich sein Gewicht von 180 auf 270 kg erhöhte.
Eine Episode:
Als man in der Baracke von Dipl.-Ing. Wörther gemeinsam ein Radiointerview über das Muli anhörte, scherzte nach der Melodie „bis daß das Auge bricht“ Franz Ziehaus: „… bis daß der Triebling bricht.“
Außer Tellerrad-Triebling gab es noch weiteren Schwachstellen dieses Laufwerks, z. B. der Scherbolzen beim Kettenspanner sowie die Kette bzw. die Kettenglieder.
Schließlich entschloß sich Direktor Hacker zu einer Radikalkur. Mitten in der laufenden Produktion des M 60 wurde das Laufwerk total geändert; ab 1952 wurde nur mehr das Laufwerk mit den vier großen Laufrollen auf jeder Seite (wie beim Raupenschlepper OST) gebaut. Diese Räder liefen auf Schrägrollenlagern und damit gab es keine Probleme mehr. (Merkwürdigerweise finden sich auch in späteren Firmenprospekten Abbildung der älteren Laufwerksbauart, obwohl diese schon seit Jahren nicht mehr gefertigt wurde.)
Wiederum war es eine Vereinfachung der Konstruktion, welche die Probleme beseitigte. Im Vergleich zu dem sehr aufwendig konstruieren kleinrolligen Laufwerk ist das spätere, großrollige geradezu primitiv zu nennen.
Allerdings war dann, als mit dem neuen Laufwerk technisch alles zur Zufriedenheit lief, die Reputation des Produkts Motormuli bereits stark angeschlagen, was sich auf den Absatz und somit auf die ökonomische Situation der Firma negativ auswirkte.
Mit dem neuen Laufwerk kam die Firma „Motormuli“ sozusagen in ein ruhigeres Fahrwasser, Reklamationen wegen Laufwerksproblemen (vor allem Trieblingsriße) gab es bei diesem Fahrwerk nicht mehr; es paßte sich ebenfalls flexibel dem Gelände an und ermöglichte einen für ein Arbeitsgerät sehr hohen Fahrkomfort.
Auch das Laufwerk mit den großen Laufrollen paßte sich den Unebenheiten des Bodens sehr flexibel an.
Trotzdem war die Lage angespannt, weil die finanzielle Decke einfach zu dünn war; die Mitarbeiter, durchaus motiviert, begegneten dieser Situation mit einem gewissen Fatalismus.
Nebst der Holzbringung wurden – vor allem durch Dipl.-Ing. Wörther, der, obzwar nominell bei der Firma „Alpentransport“ eingesetzt, als Anwendungstechniker für Markterschließung und Diversifikation des Motormulis verantwortlich war – neue Verwendungsmöglichkeiten entworfen bzw. Geschäftsfelder eröffnet, wofür Anbaugeräte konstruiert und gebaut wurden, wie der Kranausleger, das Planierschild für die Verwendung des Motormulis als Schubraupe, das Erdbohrgerät und andere. Dazu wurden neue, stärkere Typen aus der bewährten Type M 60 „Forst“ entwickelt: die Typen M 70 „Universal“ und M 80 „Transport“. M 70 „Universal“ war knapp 40 cm länger sowie schneller als M 60, ganz besonders für den Anbau von Zusatzgeräten geeignet, und M 80 „Transport“ war noch einmal um 24 cm länger, wobei sich die größere Plattform ganz besonders für die Aufnahme größerer Zusatzaggregate eignete, z.B. extragroße Seilwinden für Rodungszwecke und Schrapparbeiten.
Alle drei Typen besaßen den gleichen Motor, bloß war er im M 60 stärker heruntergeregelt als in den späteren Modellen. Während er im LKW Steyr 380 (in der Version von 1953) 90 PS (66 KW) leistete, erbrachte er bei der Motormuli-Type M 60 A aufgrund der Drehzahlbegrenzung auf 1500 U/min nur 60 PS (44 KW), bei den Typen M 60 B und M 70 jeweils bei 1800 U/min 70 PS (51 KW) und schließlich bei der Type M 80 bei 2000 U/min 80 PS (59 KW).
Entsprechend der größeren Fahrzeuglänge bei den Typen M 70 und M 80 stiegen sowohl das Gesamtgewicht wie auch die Zugleistung merkbar an, während der Bodendruck nach wie vor sehr gering blieb.
Spezialaufbauten
Für den Postbus im Winterdienst im hochalpinen Gelände wurde dem Motormuli eine autobusartige Passagierkabine, gefertigt von der Firma Lohner, aufgesetzt, und zwar bereits dem M 60 (und zwar mit dem Atkinson-Laufwerk) und weitere nunmehr dem M 80. Im internen Jargon der Firma wurde dieser Winteromnibus als „Überschneegerät“ bezeichnet.
Lohner-Passagierkabine auf Motormuli M 60 (links, aus Austro-Classic 2-95) und M 80 (rechts, Photo © Mulacz)
Oskar Hacker war ein brillanter Ingenieur, der von neuen Konstruktionsideen nur so sprühte. Bloß eines war er nicht: er war kein Geschäftsmann. Trotz dieses Mankos hat er sehr früh die Wichtigkeit der Werbung für ein Produkt erkannt. Bereits bei seiner allerersten Konstruktion, dem BISON-Motorrad bzw. seiner ersten Firma, der BISON-Motorradfabrik wurde sehr effizient Werbung betrieben. Man sagte dem BISON-Motorrad nach, daß die Popularität der Marke unvergleichlich größer war als die Verkaufserfolge.
Auch für das Motormuli lief die Werbemaschinerie recht gut: Artikel in verschiedenen Zeitschriften wurden lanciert, Rundfunkinterviews gestaltet und das Motormuli war auf landwirtschaftlichen Messen präsent.
Motormuli-Stand auf der Welser Messe (Album Marek)
Man kann sagen, daß das Motormuli damals durchaus international präsent war.
Humoristische Grußkarte (Album Marek)
In der Folge stellten sich auch eine Reihe von Exporterfolgen ein, aber auch dabei gab es wiederum empfindliche Rückschläge.
Exporte
Die Werbung machte sich bezahlt, bereits ab 1952 konnten mehrere Exportaufträge abgeschlossen werden, und nicht nur in europäische Länder wie das damalige Jugoslawien oder Schweden, sondern auch in Ländern auf anderen Kontinenten, so z.B. nach Kanada sowie nach Argentinien und Uruguay. Manchmal wurde dabei aus zolltechnischen Gründen das Gerät nicht als „Hacker Motormuli“, sondern als „Steyr Motormuli“ bezeichnet, was insofern nicht völlig unzutreffend war, als die wichtigen Komponenten Motor und Getriebe bekanntlich von Steyr kamen. Als Export-Organisation fungierte die Firma „Atkinson-Hacker Tractor Co. Ltd., Clitheroe, Lancashire, UK“.
Über die Niederlande wurde ein Exportauftrag nach Neuguinea (heute Teil von Indonesien) für die dortigen Forstbetriebe abgewickelt, der jedoch zunächst schief ging. Sechs Stück Motormuli M 60 B wurden geliefert, ohne daß man sich im Klaren darüber war, welche Anforderungen im Zielland an das Gerät gestellt würden. Der Stammdurchmesser der tropischen Edelhölzer war größer als das Motormuli hoch war; Ing. Salzner als Zeitzeuge erinnert sich daran:
… Weil wir haben M 60 unten in Neuguinea im Einsatz gehabt für die Holzbringung und die sind uns alle niedergegangen. Wir haben nicht gewußt, welches Holz dort gewonnen wird und da ist der Stamm größer gewesen wie das Muli. Das hat es nicht ausgehalten. Da haben wir dort eine furchtbare Pleite erlebt. Dann sind größere Motormuli für Neuguinea gebaut worden.
Ausnahmslos alle sechs Motormulis M 60, die nach Indonesien exportiert worden waren, haben diesen Belastungen nicht standgehalten. Dipl.-Ing. Wörther ist daraufhin nach Neuguinea geflogen, um sich persönlich ein Bild der Situation zu verschaffen. Auf dieser Basis wurde 1953 schließlich die Motormuli Type M 100 entwickelt, von der jedoch nur wenige Stück gebaut worden sind; fünf von ihnen wurden als Ersatz für die niedergebrochenen M 60 nach Neuguinea verschifft.
Die Type M 100 war das größte, stärkste und auch schwerste Motormuli überhaupt, das natürlich auch die höchste Zugkraft am Haken und die größte Tragfähigkeit aufwies, das am weitesten entwickelte, aber auch das letzte gebaute Modell. Zum Vergleich:
M 60 Gesamtgewicht 3,9 t Tragfähigkeit/Plattform 2 t Tragfähigkeit mit Sattelanhänger 5 t
M100 Gesamtgewicht 7,0 t Tragfähigkeit/Plattform 6 t Tragfähigkeit mit Sattelanhänger 12 t
Rotations-Schneefräse „System Wallack“ auf der Basis des Motormuli M 100
Die Schneeräumung im hochalpinen Gelände stellt ganz andere Anforderungen als die Schneeräumung in der Ebene, wo ein Schneepflug einfach die Schneemassen zur Seite drängt.
Motormuli mit Schneepflug (Firmenprospekt)
Im Hochgebirge, wo die Schneehöhe bis zu zwanzig Meter beträgt, findet man mit diesem Gerät natürlich nicht das Auslangen. Hofrat Dipl.-Ing. Franz F. Wallack, der legendäre Erbauer der Großglockner-Hochalpenstraße, hat daher speziell für die Schneeräumung auf „seiner“ Straße eine Schneefräse konzipiert, also eine Maschine, die sich mit rotierenden Schneiderädern gleichsam durch den Schnee frißt und die abgetragenen Schneemassen zig Meter weit weg von der Straße ins Gelände schleudert. Der Geräteträger für Wallacks ersten Versuch erwies sich als ungeeignet, von dessen exorbitantem Kraftstoffverbrauch ganz abgesehen. Wallack kam dann mit Oskar Hacker in Kontakt und erblickte im Motormuli die geeignete Plattform für seine Schneefräse.
Rotationsschneefräse „System Wallack“ (Firmenprospekt)
Ing. Blaha vom Wiener Motormuli-Konstruktionsbüro war für die Detailplanung verantwortlich. Die Schneefräse wurde mit einem eigenen, gegenüber dem Rahmen des Mulis beweglichen Oberrahmen auf ein (großrolliges) Laufwerk eines modifizierten Motormulis M 100 aufgesetzt; drei stärkere Motoren, mehrere Getriebe und ein aufwendiges Hydrauliksystem wurden eingebaut.
Während die erste Rotationsschneefräse „System Wallack“ im Werk in Molln gebaut wurde, kam Ing. Blaha – öfter als sonst – nach Molln, um sich vom Fortschritt der Arbeiten zu überzeugen. Es braucht nicht extra betont zu werden, daß der Firmeninhaber, Direktor Hacker, während all dieser Jahre regelmäßig nach Molln kam, um nach dem Rechten zu sehen, zumeist im 14-Tage Rhythmus. Er fuhr einen Steyr 1500 A Kommandeurwagen und pflegte im Gasthaus Breinesberger zu nächtigen. Regelmäßig lud er die Herren Nowak, Fädler und Ing. Salzner zum Nachtmahl ein; am nächsten Tag fuhr er wieder nach Wien.
Außerdem war während der Arbeiten an den Schneefräsen („Ander“ und „Eisbändiger“ wurden 1953/54 in Molln gebaut) ständig auch ein Vertreter der GROHAG anwesend, zumeist Franz Lackner, dessen Schwester „Moidele“ Wallacks Sekretärin war (und nicht nur das).
Auch HR Wallack kam immer wieder, zumeist von seinem „Moidele“ begleitet, in die Firma nach Molln. Er war ein gern gesehener Gast, brachte er doch immer wieder Geld mit sich – sozusagen eine Teilzahlung je nach Baufortschritt, das die Firma dringendst benötigte. Prokurist Walter Nowak, der Betriebsleiter in Molln (übrigens gleichzeitig gemeinsam mit Dipl.-Ing. Wörther Geschäftsführer der Fa. „Alpentransport“) erwartete Wallacks Geldspritze sehnsüchtigst, damit er wieder Komponenten, z. B. Zahnräder, bei den Zulieferfirmen einkaufen konnte.
Die Schneefräsen bewährten sich auf der Großglockner-Hochalpenstraße sehr; sobald die Fahrbahn durch die Wallack-Schneefräsen geräumt ist, fahren die Fahrzeuge, welche die Straße befahren, zwischen höchst eindrucksvollen, bis zu acht Meter hohen Schneewänden, die erst langsam aufgrund der Schneeschmelze verschwinden.
Trotz dieses Erfolgs am Großglockner wurde die Finanzlage der Firma „Motormuli“ immer enger, es hatten sich Schulden in der Höhe von einigen Millionen angehäuft – Direktor Hacker kleidete das im Gespräch mit Ing. Salzner in die geradezu poetische Formulierung „ich sehe derzeit das andere Ufer nicht“.
Es kam der Tag, wo die Insolvenz angemeldet werden mußte. 1955 mußte der Betrieb eingestellt werden. Die ausstehenden Aufträge der GROHAG für vier weitere Wallack-Schneefräsen wurde an die Firma „Alpentransport“ weitergegeben, welche sie jedoch selbst nicht durchführen konnte und daher an die Metallbauwerke Wels weitergab, welche dann tatsächlich alle anderen Schneefräsen produzierte.
Die Firma „Alpentransport“, deren Aktivitäten den Verleih von Motormulis beinhalteten, erwarb die Restbestände und die Produktionsmittel; die Firma verlegte ihren Sitz nach Traun an die Adresse Hammerlweg.
Ab 17. April 1957 befand sich die Firma „Motormuli“ in Liquidation und am 7. September 1959 wurde sie im Handelsregister gelöscht.
Das war das Ende der Firma „Motormuli“ in Molln – freilich noch nicht ganz das Ende des Motormulis.
Soziales
Ein Aspekt sollte in der Rückschau wenigstens kurz Erwähnung finden, das Sozialleben in der Firma „Motormuli“.
Eine Reihe von Mitarbeitern wohnten ja, nicht zuletzt wegen der Wohnungsnot in den Nachkriegsjahren, auf dem Firmengelände in der „Wohnbaracke“ nahe der Produktionshalle, wo auch Dipl.-Ing. Wörther sein Büro hatte. Die Mitarbeiter hatten daher auch in der Freizeit mehr Kontakt miteinander, als dies heute üblicherweise der Fall ist, wo jeder nach Arbeitsschluß heimgeht. Daher gab es auch mehr gemeinsame soziale Aktivitäten – nicht zu vergleichen mit dem heutzutage üblichen Betriebsausflug einmal im ganzen Jahr.
Man fuhr gemeinsam u. a. zu einer Hochzeit in die Ramsau (Burgholzer) und zum „Weissn im Sattl“.
Mit ein paar Holzbänken wurde der Sattelauflieger zum „Personentransporter“ umfunktioniert (Album Marek).
Im Winter
Im Winter hatte man in der Firma „Motormuli“ eine Eisstockbahn, auf der auch Firmenfremde aktiv waren, z. B Herr Krause vom Werkzeugbau Krause (später Haschitzka) und Herr Öhner von der Weberei. Herr Öhner verspielte an einem Abend ein Motorrad.
Weihnachtskrippe Klaus
Eine geschnitzte Krippe mit fast mannshohen Figuren ist von der Firma „Motormuli“ gespendet worden, was mittlerweile vermutlich in Vergessenheit geraten ist.
Epilog
Die insolvente Firma sowie eine Reihe von Mitarbeitern wurden von der Österreichischen Saurer AG übernommen. Aufgrund der Übernahme der Schulden durch Saurer stieg der alleinhaftende Gesellschafter Hacker (bzw. dessen Ehefrau) ohne nennenswerten Schaden aus; Oskar Hacker selbst arbeitete zunächst Projekte für Gräf & Stift und auch für Saurer aus, ging dann aber 1958 zur VÖEST, wo er 1958 Direktor wurde.
Saurer setzte die Produktion von Motormuli-Typen als „Saurer Motormuli“ fort, allerdings mit anderen Laufrollen und daher auch anderen Ketten – den gleichen, wie sie später beim Prototypen für den Saurer Schützenpanzer Anwendung fanden. Angeboten wurden die Typen M 70 „Universal“ und M 100 „Spezial“, mit Beschreibungen und Bildern, die den alten Hacker-Prospekten entnommen waren (einschließlich Abbildungen des längst nicht mehr gebauten M 60 „Forst“ mit dem kleinrolligen Balanzierträger-Laufwerk).
Prospekt für das Saurer-Motormuli
An den „doppelten“ Laufrollen (genauer: mit einer Nut versehenen) und der dementsprechend geänderten Gleiskette sind Motormulis aus der Saurer-Produktion auf den ersten Blick zu erkennen.
Motormuli aus der Saurer-Produktion, deutlich sind die „doppelten“ Laufrollen zu erkennen (Photo Drozda)
Saurer-Motormuli: die Führung der Gleiskette in der Nut der „doppelten“ Laufrollen ist deutlich erkennbar (Photo Drozda)
Das Saurer-Motormuli wurde auch exportiert, zumindest einige Stück davon nach Bulgarien (vgl. „Education of Forest Workers in Bulgaria“).
Die damalige Popularität des Motormulis zeigt sich auch daran, daß es in die Reihe der Fahrzeugabbildungen für die Haas-Autobrause-Sammelbilder aufgenommen worden ist, wo zumeist PKW figurieren, nur wenige LKW und noch weniger Traktoren, Bulldozer und andere Sonderfahrzeuge.
Brausepulver-Sammelbild “Saurer Motormuli“
Als im April 1959 die Steyr-Daimler-Puch AG die Aktienmajorität der Österreichischen Saurer-Werke AG erwarb, wurde die Produktion des Motormulis bei Saurer eingestellt. Saurer verkaufte die Unterlagen in die Sowjetunion, weshalb alle Konstruktionszeichnungen nunmehr russisch beschriftet werden mußten. Die Sowjets hatten bereits früher Interesse am Motormuli signalisiert: 1954 war, noch bei der Firma „Motormuli“, ein Armenier vorstellig geworden, um alle Produktunterlagen ins Russische zu übersetzen. Was daraus geworden ist, blieb in Österreich unbekannt.
Das war das Ende der fabriksmäßigen Produktion von Motormulis.
Einige weitere Geräte wurden jedoch von der Firma „Alpentransport“, Traun, hergestellt, wo der „Motormuli“-Prokurist Nowak und der Anwendungstechniker Dipl.-Ing. Wörther Geschäftsführer waren, wozu als weiterer Geschäftspartner noch Paul von Stockert (von der Stockert-Sjögren-Wittgenstein‘schen Forstverwaltung, Kalksburg) hinzugesellte. Bei der „Alpentransport“ wurden die Mulis nach Bedarf produziert: wenn man eines benötigte, baute man es sich zusammen, insgesamt waren es nur wenige Stück. Auch das Österreichische Bundesheer scheint Motormulis von der Firma „Alpentransport“ bezogen zu haben; zumindest jenes Gerät, das zum Ziehen des Lauenstein-Grabenpflugs eingesetzt war, stammt aus dieser Produktion (vermutlich 1959/60 gebaut). Neben ihren Dienstleistungen entwickelte die Firma „Alpentransport“ auch Versuchsfahrzeuge, u.a. einen Radschlepper; den Auftrag zum Bau von „Wallack“-Schneefräsen mußte sie aber, wie erwähnt, mangels Ressourcen weitergeben.
Ihre primäre Geschäftstätigkeit, Verleih von Motormulis (samt Fahrer) und Zusatzgeräten für Forst- und Agrardienstleistungen, führte die Firma „Alpentransport“ bis ca. 1983/84 fort; dann wurde die Firma wegen des Übertritts der Geschäftsführer in die Pension aufgelöst. Die Restbestände an Gerät aller Art wurden im Alteisenhandel verwertet (Fa. Josef Lang Schrott- und Maschinenhandel Gesellschaft m.b.H. in Traun, O.Ö.).
Postskriptum zum Epilog
Der ehemalige „Motormuli“-Mitarbeiter Ing. Franz Salzner, der nach der Insolvenz der Firma Beschäftigung bei anderen Unternehmen gefunden hatte, war schließlich bei Steyr angestellt und dort für Traktorentriebwerke verantwortlich. In dieser Eigenschaft unternahm er 1979 eine Dienstreise nach China.
Er besuchte für Steyr sämtliche Traktorenfabriken in China, u. a. eine in Harbin, die Raupenfahrzeuge herstellte; dort sah er ein Raupenfahrzeug, das dem Motormuli wie ein Ei dem anderen glich. Er berichtet:
Wie ich hinkomme sehe ich dort ein Motormuli, es war wie das M 80 und ich habe zu dem Chinesen gesagt, das ist eine österreichische Konstruktion – er war natürlich sehr beleidigt, das stimme alles nicht, das ist eine russische Konstruktion und wird in der Forstwirtschaft eingesetzt.
Siehe Exkurs zu sowjetischen Schleppern
Resümee
Anzahl der in Molln produzierten Motormulis
Vom Modell M 60 sind ungefähr 40 Stück gebaut worden. Vom Modell M 70 dürften an die 100 Stück gebaut worden sein, Modell 80 war mit ungefähr 20 Stück und Modell 100 mit nur 5 oder 6 Stück vertreten. In Summe daher ca. 150 Motormuli. Zusätzlich 2 Rotationsschneefräsen „System Wallack“.
An anderen Standorten produzierte Motormulis
Gesichert ist eine Handvoll Mulis aus der Produktion bei der Firma „Alpentransport“.
Die Firma Atkinson (Atkinson´s Agricultural Appliances Ltd., Clitheroe, Lancashire, UK), von der die Firma Motormuli in Molln die Gummiketten und ein Modell des Erdbohrgeräts bezog, sollte das Motormuli in Lizenz bauen, wobei der Lizenznehmer eigentlich die Firma The Aluminium Castings Group 123, Hope Street, Glasgow, Scotland, UK gewesen ist. Ob diese Produktion jemals angelaufen ist, ist nicht mehr feststellbar; es scheint auch, daß das in Molln für Atkinson entwickelte Laufwerk dann auch in Molln produziert worden ist.
Ob bei der deutschen Firmentochter, dem Motormuli-Werk Aschau bei Kraiburg, Oberbayern, (damals) Westdeutschland, jemals die Produktion angelaufen ist, ist ebenfalls nicht mehr feststellbar.
Gründe für das Scheitern des Motormulis
Die Ursachen für das schlußendliche Scheitern eines an sich ganz ausgezeichneten Projekts sind vielfältig, sie liegen auf verschiedenen Ebenen.
Von vornherein waren das zur Verfügung stehenden Kapital (ERP-Mittel) sehr mager. Einiges Geld wurde mit den Versuchen mit dem stufenlosen Reibradgetriebe in den Sand gesetzt. Hohe Entwicklungskosten wurden nicht zuletzt durch das überaus komplexe Planetengetriebe hervorgerufen. Weil aus ökonomischen Gründen die Erprobung der neuen Konstruktion nicht eingehend genug durchgeführt wurde, sind Schwächen der Konstruktion erst im Einsatz beim Kunden aufgefallen, was, von den Reparaturkosten abgesehen, dazu führte, daß der Ruf des Motormuli erheblich Schaden gelitten hat.
Dieses schlechte Renommee war einer der Faktoren für die geringen Verkaufszahlen.
Ein anderer Faktor war, daß der Bedarf für einen solchen Schlepper in der Holzbringung zurückgegangen ist. Forstwege und -straßen wurden in den 1950er-Jahren ausgebaut, sodaß der extremen Geländegängigkeit keine Priorität mehr zukam. Räderfahrzeuge kamen auf den Markt – in erster Linie der Mercedes Unimog – welche einen großen Teil der Fähigkeiten des Motormulis ebenfalls abdecken konnten, aber in Anschaffung und Betrieb weit günstiger kamen.
Die von Anfang an bestehenden Finanzierungsschwierigkeiten wurden so unüberwindlich, Schulden in Millionenhöhe sind angehäuft worden und die Insolvenz war unvermeidlich.
So kam es dazu, daß für das Motormuli zu dem Zeitpunkt, als die Konstruktion schließlich nach Beseitigung aller „Kinderkrankheiten“ wirklich ausgereift war und sich im Betrieb als überaus zuverlässig erwies, eigentlich kein Bedarf mehr gegeben war.
© Prof. Peter Mulacz