Die Vorteile von Kettenfahrzeugen gegenüber Räderfahrzeugen auf Schnee und Eis liegen auf der Hand; so ergab sich schon früh die Idee, das bewährte Laufwerk des Motormuli für speziellen Winterbetrieb zu nutzen. Für den Postbus wurde einfach ein spezieller autobusartiger Aufbau zum Transport von Passagieren auf eine Motormuli-Wanne aufgesetzt, während für die Schneefräse eine massive Umkonstruktion notwendig war, da das Fahrzeug viel schwerer und größer war.

Omnibus für den Postbus im Winterdienst

Es wurden vier Motormuli-Postbusse gebaut, die vor allem in Tirol am Arlberg im Einsatz waren, um den Liniendienst auch im Winter – insbesondere für Touristen bzw. Skifahrer – aufrecht erhalten zu können, daher auch der Name „Winteromnibus“ oder alternativ „Schneeomnibus“. Damit konnten die alten Raupenschlitten, die noch aus der Zwischenkriegszeit stammen, ersetzt werden.

Der dreitürige Aufbau in der Form eines Postautobusses stammte von der Lohner-Werke AG; da die Unterkante des Wagenkastens aufgrund des Kettenlaufwerks relativ hoch liegt, ist beim Einstieg eine ausklappbare Treppe angebracht. Der Innenraum umfaßt 12 Sitze incl. zwei Notsitze. Im Gepäckbereich am Dach des Fahrzeugs, das über eine Leiter am Fahrzeugheck zugänglich ist, sind auch Skiträger vorgesehen.

Die interne Bezeichnung dieses Fahrzeugs innerhalb der Firma „Motormuli“ lautete „Überschneegerät“.

Gleiche Lohner-Aufbauten wurden sowohl auf Motormulis des Typs M 60 (mit Atkinson-Laufwerk) aufgesetzt wie auch auf M 80, sofort an dem großrolligen Laufwerk zu unterscheiden. Die Raupen besaßen eine Breite von 500 mm und das Gewicht der Fahrzeuge betrug ca. 6200 kg.

Postbus

Lohner-Karosserie auf Motormuli M 60 mit Atkinson-Laufwerk
(Abbildung aus Austro-Classic 2-95, Photo von Adolf Loidl)

Postbus

Winteromnibus: Lohner-Karosserie auf Motormuli M 80 (Photo © Mulacz)

Dieses Fahrzeug wurde 1951 gebaut und war von Dezember 1951 bis zum Jahr 1956 in Tirol (vorwiegend im Wintertourismus am Arlberg) eingesetzt. Es steht im Eigentum der Österreichischen Post (heute ÖBB-Postbus GmbH) und wurde im Jahr 2003 in den Werkstätten des Österreichischen Bundesheeres im Wiener Arsenal generalüberholt. Derzeitiger Standort: Postbusgarage in Salzburg.

PostbusPostbus

Motormuli mit Autobusaufbau der Postbus bei der Veranstaltung „Auf Rädern und Ketten“ 2019 des HGM
(Photos © Mulacz)

Postbus innen

Post-Motormuli: Der Arbeitsplatz des Lenkers (Photo © Mulacz)

PassagierabteilPostbus innen

links: Blick in den Fahrgastraum, rechts: dem Lenker (Oberst POSCH) über die Schulter geschaut
(Photos © Mulacz)

Postbus Treppe ausgeklapptPostbus Treppe hochgeklappt

Treppe für die Fahrgäste: links heruntergeklappt, rechts hochgeklappt (Photo © Mulacz)


Historische Bilder:

PostbusPostbus

Das „Überschneegerät“: links (Type nicht erkennbar), rechts M 80 beim Steyrdurchbruch (Album Rosenegger)

Manche bezeichneten diese im Winter von der Post betriebenen Motormulis mit Lohner-Aufbau scherzhaft als „Post-Panzer“. Sachlich ist das natürlich unzutreffend, da es bei einem Panzer, wie das Wort bereits sagt, auf die Panzerung ankommt und nicht auf den Antrieb (schließlich gibt es auch Radpanzer, vgl. im Ersten Bundesheer den ADGZ von Austro-Daimler bzw. Steyr, an dem Hacker mitgearbeitet hatte, und gegenwärtig im Bundesheer die MTPz „Pandur“ bzw. „Pandur Evo“). Dieser „Spitzname“ entbehrt jedenfalls nicht einer gewissen Heiterkeit.

Nach der Außerdienststellung dieser „Winter-Omnibusse“ wurde eines dieser Fahrzeuge in der Postautobetriebszentrale in Stadlau umgebaut, indem es mit einem Pritschenaufbau versehen wurde; dieser „Motormuli-Transporter“ wurde dann zum Materialtransport bei der Errichtung der Richtfunkstation auf der Koralpe eingesetzt.

Post Motormuli PritschePost Motormuli Pritsche

Beachtenswert ist, daß diese Pritschenversion mit der „Gummikette“ ATKI-TRACK ausgestattet ist (im Gegensatz zu den Personentransportern oben, bei denen die breite Kette aus Stahlguß Verwendung fand)


Rotationsschneefräse „System Wallack“

Hofrat Ziv.-Ing. Wallack, der legendäre Erbauer der Großglockner-Hochalpenstraße, hat – speziell für die Schneereinigung „seiner“ Straße – eine Schneefräse erfunden, welche die Schneemassen nicht, wie ein Schneepflug, bloß zur Seite schiebt, sondern sich mit beiderseits mit rotierenden Pflugrädern regelrecht in die Schneemassen hineinfrißt und den geförderten Schnee mittels starker Wurfräder weit von der Straße weg ins Gelände schleudert. Dieses Gerät hatte er auf dem Chassis eines Fahrzeugs aufgebaut, das jedoch nicht nur nicht befriedigte, sondern aufgrund des darin verbauten Flugzeugmotors mit 2.000 PS Leistung übermäßig viel Kraftstoff verbrauchte. So suchte Wallack nach einem besseren Träger für seine Schneefräse und wurde beim Motormuli fündig (das damals nur mehr mit dem großrolligen Laufwerk produziert wurde).

Wallack vor der Schneefräse

Für den Aufbau der schweren Schneefräse mußte das Motormuli – die größte und stärkste Version, M 100 – jedoch noch deutlich umkonstruiert werden, was in den Händen von Ing. Erich Blaha lag, der während des Baus der Schneefräsen weit öfter als sonst nach Molln kam.

Schneefräse Riss

Der Schneefräsen-Aufbau verlangte eine deutlich größere Wanne, aufgrund der ständigen Geldknappheiten konnten jedoch größere Wannen nicht geordert werden und so entschloß man sich, vorhandene M 100-Wannen der Länge nach aufzuschneiden und mittig einen ca. 25 bis 30 cm breiten Streifen einzuschweißen, ähnlich wurde auch die Länge angepaßt. Der überaus erfahrene Schweißer, Franz Gruber, hat diese schwierige Arbeit mit Bravour erledigt.

Schneefräse in der FabrikshalleSchneefräse Montage

SchneefräseSchneefräse
SchneefräseSchneefräse

In der Motormuli-Schneefräse sind drei voneinander unabhängig regulierbare Saurer-Dieselmotoren eingebaut, einer für die Fortbewegung und die beiden anderen für die Schneefräsen bzw. Wurfanlagen, mit unabhängigen Getrieben für Vorschub, Pflugräder und Wurfräder. Die Schneeräum- und Antriebsgruppe ist in einem eigenen, pneumatisch in der Neigung verstellbaren Oberrahmen zusammengefaßt, der auf dem Rahmen des Motormuli-Laufwerks mittels eines mächtigen Kugelgelenks aufgesetzt ist, sodaß er nach allen Richtungen gekippt werden kann, um gelände- und schneelagebedingte Schrägstellungen auszugleichen. Die Gleisketten sind anders konstruiert als die sonst für das Motormuli lieferbaren Ketten. Das Gesamtgewicht der Schneefräse beträgt ca. 15 t, sie ist 6,50 m lang, 2,40 m breit und 3,05 m hoch.

Motoren:

drei Sechszylinder-Saurer-Dieselmotoren, je 125 PS (= 92 KW)

Getriebe:

ein Fünfgang-Fahrgetriebe,
ein Zweigang-Kupplungs-Lenkgetriebe,
ein Zweigang-Pflugradgetriebe,
zwei Dreigang-Wurfradgetriebe

Drehzahlbereich der Pflugräder: 100-250 U/min
Drehzahlbereich der Wurfräder: 150-450 U/min

Steigfähigkeit: bis zu 60 %

Kraftstoff:

zwei Tanks zu je 200 Liter
Kraftstoffverbrauch: ca. 22 Liter pro Motor und Einsatzstunde

Die Räumbreite beträgt 2,40 m, die Räumhöhe 1,20 m; die Wurfhöhe bis 25 m und die Wurfweite bis 50 m; die Räumgeschwindigkeit ist abhängig von der Art des Schnees, bei hohem Altschnee beträgt sie 1 km/h, bei Neuschnee bis zu 8 km/h. Jeweils einen Meter Höhe pro Fahrt tragen die Geräte ab; an Hängen mit großen Schneeverfrachtungen können auch manchmal zwölf Durchgänge nötig werden. Die vielfach regelbaren Hubsysteme vermögen nicht nur Schräglagen auszugleichen, sondern auch beim Räumen das Entstehen von Wellen zu vermeiden. Die Schneewände, die sich links und rechts der Straße auftürmen, können bis über zwanzig Meter Höhe erreichen, sodaß die Motormuli-Schneefräse schließlich wie in einem Korridor fährt.

SchneefräseSchneefräse

Schneefräse

Während des Baus der Schneefräse ist Hofrat Wallack häufig nach Molln gekommen, um sich über den Baufortschritt zu informieren; zumeist kam er in Begleitung seiner Sekretärin, Frl. Lackner („Moidele“), nur einmal mit seiner Frau. Bei der Firma „Motormuli“ war er immer sehnsüchtigst erwartet, leistete er doch Zahlungen, sodaß Prokurist Nowak wieder Komponenten von den Zulieferfirmen einkaufen konnte.

Wenn im Prospekt der Firma „Motormuli“ auch zu lesen ist, die Schneefräse würde jetzt serienmäßig erzeugt, so ist das etwas übertrieben, denn in Molln sind nur die ersten beiden gefertigt worden, alle anderen von den Metallbauwerken Wels.

Es sind insgesamt zwischen 1953 und 1963 acht Maschinen gebaut worden:

5 Stück für die Großglockner-Hochalpenstraße
1 Stück für den Arlberg
1 Stück Radstädter Tauern
1 Stück ging nach dem damaligen Jugoslawien, bestellt von Marschall Tito, um eine sichere Zufahrt zu seiner Jagdhütte in Slowenien zu gewährleisten

Die beiden Maschinen vom Arlberg und Radstädter Tauern wurden nach einiger Zeit zurückgekauft. Die Motoren und Antriebsteile wurden ausgebaut und sind heute noch als Ersatzteile sehr wertvoll.

Der Lizenzvertrag mit den Metallbauwerken Wels wurde von seiten der Großglockner-Hochalpenstraße 1966 gekündigt und in weiterer Folge wurde mit der VÖEST ein Lizenzvertrag für den weiteren Bau und für den Export verhandelt. Die VÖEST brachte auch einen neuen Prospekt über die Rotationsschneefräse heraus, die Produktion dürfte aber nie angelaufen sein.

Exkurs Metallbauwerke Wels:

Die Firma „Metallbauwerke GmbH Wels“ wurde auf dem Gelände einer ehemaligen Flugzeugfabrik – die im Krieg entsprechende Bombenschäden erlitt – gegründet. Wie Hofrat Wallack auf die MBW gekommen ist, ist unbekannt, aber es ist möglich, daß noch aus der Zeit des Flugzeugbaus hochqualifizierte Techniker vorhanden waren. Trotz bester Qualität der Schneefräsen war die kaufmännische Kalkulation mangelhaft gewesen, sodaß die MBW enorme Verluste eingefahren hat. Jedenfalls gab es zwischen der Firmenleitung und HR Wallack sehr heftige Dispute. Die Abwicklung des Projekts dauerte nach Einstellung der Produktion einige Jahre.

Die in Molln bzw. in Wels gebauten Rotationsschneefräsen „System Wallack“ versehen auch heute, nach Jahrzehnten, klaglos ihren Dienst am Großglockner.

Heute noch in Betrieb sind die Maschinen

„Ander“ (Baujahr) 1954
„Eisbändiger“ (Baujahr) 1954
„Oskar“ (Baujahr) 1960
„Jörgen“ (Baujahr) 1963

Schneefräse heute

Die Originalfarbe der Schneefräsen war rot.

Die Maschine „Paul“ (Baujahr 1953) wurde 2010 nach fast 10.000 Arbeitsstunden ausgeschieden und steht nun als Dauerleihgabe der Großglockner Hochalpenstraßen AG im Salzburger Freilichtmuseum in Großgmain.

Siehe auch die drei Spezialprospekte über die Schneefräse:

Prospekt

Motormuli

Prospekt

MBW

Prospekt

VÖEST


Bildergalerie: https://www.sn.at/wiki/Wallack-Rotations-Schneefräse
Video-Link: Rotationsschneefräsen „System Wallack“ im Einsatz zur Schneeräumung auf der Großglockner-Hochalpenstraße: https://www.youtube.com/watch?v=K79jwuMTmag


Grossglockner Ausstellung